Sao Paulo-Biennale: Experiment gescheitert

„Affective Affinities – Gefühlsverwandtschaften“, der Titel der 33. Biennale von São Paulo kommt emotional daher. Doch das Motto, das Kurator Gabriel Pérez-Barreiros für seine Schau Goethes „Wahlverwandtschaften“ entlehnt hat, hat es in sich. Dem Kunsthistoriker, im Nebenberuf Chef der privaten Cisneros-Kunstsammlung in New York und Caracas, will mit seinem Ansatz das klassische Modell der politischen Themen-Biennalen aus den Angeln heben. Statt selbst einen Parcours in Oscar Niemeyers Biennale-Pavillon im Herzen São Paulo zu legen, lud er sieben Künstler*Innen je eine Schau Ihrer Wahl zu kuratieren.

Subjektiver Geschmack vor kunsthistorischen Kriterien, Verzicht auf einen zentralen Slogan – der ästhetische Mehrwert des interessanten Experiments tendiert freilich gegen Null. Es hat durchaus seinen Reiz, statt einer Heerschau großer Namen sieben intime Mini-Kosmen zu erkunden, wo nicht gleich eine politische Botschaft dröhnt.

Und man kann auch unbekannte Künstler entdecken. So wie die sieben Kuratorinnen mit ihrem Parcours letztlich nur ihre eigene ästhetische Position illustrieren, springt für die Besucher nicht viel mehr als die Erkenntnis heraus, dass Kunst eine Sache unter Freunden ist. Da wünscht man sich doch wieder den distanzierten Kurator zurück.

Auch zur Schule der Aufmerksamkeit, mit der Pérez-Barreiro gegen Manipulation in Politik und Sozialen Medien immunisieren, zum Umgang mit Vielfalt befähigen will, taugt die Schau kaum. Seine, dem brasilianischen Philosophen Mário Pedrosa entlehnte Idee einer Affinität von Künstler und Betrachter, die sich über die Form des Kunstwerks vermittelt, springt bei den wenigsten der zwölf von Pérez-Barreiro selbst eingeladenen Positionen über.

Angesichts einer politischen Rechten, die nach der Wahl das Kulturministerium abschaffen will und deren Führer Hitler für einen „großen Strategen“ hält, wirkt es naiv, wenn die Besucher vor einer Steine-Installation der brasilianischen Künstlerin Denise Milan über ihre „Verbindung zum Universum“ nachdenken sollen. Was bleibt, ist das Bild einer Biennale, die dem Kunstbetrieb den Kampf ansagt, aber die Konfrontation mit einer Politik scheut, die ihr selbst an den Kragen will.

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