Beirut in The Sixties im Berliner Gropiusbau

Paris des Nahen Ostens. In keiner Rede über Beirut fehlt diese Floskel. Dass sie mehr als ein ausgeleiertes Klischee ist, zeigt jetzt die Ausstellung „Beirut and the Golden Sixties“ im Berliner Gropius-Bau. Sam Bardaouil und Tim Fellrath lassen darin eine kulturelle Blütezeit wiederauferstehen, die Ende der 1950er Jahre begann und gegen die die Kunstmetropolen Paris oder New York plötzlich blass wirken: Ein faszinierendes Nebeneinander von kosmopolitischem Lebensstil, ästhetischer Moderne und sexueller Libertinage. Kurze zwanzig Jahre, 1975 verwandelte dann ein 15jähriger Bürgerkrieg die „Schweiz des Nahen Ostens“ in eine Trümmerlandschaft ähnlich der der Ukraine heute.

In der elektrisierenden Schau springen einen die kreativen Energien dieser Zeit gleichsam körperlich an. Die zwei Kunsthistorikern wollen aber mit ihrem Parcours von 200, teils eigens für die Schau restaurierten Exponaten von der Malerei, historischen Plakaten bis zur Op-Art kein „Goldenes Zeitalter“ nostalgisch verklären. Sonst hätten sie die Ausstellung nicht „Manifesto of Fragility“ untertitelt. Schon Khalil Zgaibs Ölbild von 1958 gleich zu Beginn signalisiert: Das Kunstparadies Beirut war ein ständiger Tanz auf dem Vulkan. Auf dem Werk kreuzen amerikanische Kriegsschiffe durch den strahlend blauen Hafen.

Joana Hadjithomas und Khalil Joreige schlagen den Bogen zur Gegenwart. Ein Dutzend im Kreis aufgestellter Bildschirme zeigt aus der Perspektive von Überwachungskameras des privaten Sursock-Museums den Moment, in dem die Explosion vom 4. August 2020 im Hafen Beiruts zwei Drittel der Stadt zerstörte. Eine Installation wie ein aktuelles Menetekel: Noch die prächtigste Kulturlandschaft kann in Sekunden zu Schutt und Asche verfallen.

Den beiden Kuratoren mit Liebe zur Peripherie begegnete äußerste Skepsis, als die scheidende Kulturstaatsministerin Monika Grütters sie Ende vergangenen Jahres noch kurz vor dem Regierungswechsel überraschend als Direktoren-Duo von Berlins Hamburger Bahnhof durchdrückte. Nach dieser kuratorischen Glanzleistung sieht man ihrer Arbeit in dem vor sich hin dümpelnden „Museum der Gegenwart“ plötzlich mit äußerster Spannung entgegen.

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