Das Museum reformieren oder ganz neu gründen?

„Tear it down – Reißt es nieder“. Für die bunte, queere Truppe, die sich vor ein paar Wochen vor dem Neubau des Berliner Schlosses alias Humboldt-Forum zum antikolonialistischen Go-In versammelte, war die Sache klar. Dieses Museum soll gar nicht erst eröffnet werden. Eine Pappattrappe des christlichen Kreuzes, das seit kurzem die Kuppel des umstrittenen Baus ziert, landete unter großem Jubel zerbrochen in der Spree.

„De-colonizing“ – die bei solche Aktionen meist intonierte Vokabel der Koalition progressiver Kulturarbeiter:innen fiel an einem milden Frühherbst-Abend Anfang September in der Berliner Urania, einem der letzten Ort der in die Jahre gekommenen „Volksbildung“, nicht.

Was sicher kein Zufall war. Repräsentierte doch das Podium, das dort über „Proteste, Angriffe, Vorwürfe: Wie frei sind unsere Museen?“ diskutierte, eines der zentralen Probleme vieler europäischer Museen – ihre mangelnde Diversität.

Glaubte man den vier ausnehmend klugen, aber eben doch ziemlich weißen Kulturschaffenden lupenrein deutscher Provenienz, steht es um das, unter schweren Beschuss geratene Museum besser als Mensch so denkt. Hermann Parzinger, Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und damit auch des Humboldt-Forums, entsteht mit kritischen Aktionen und Debatten, ein „Druck, der Energie erzeugt“.

Ulrike Lorenz, seit einem Jahr neue Direktorin der Stiftung Weimarer Klassik, sieht den Legitimationsdruck im Gefolge von Epochenbrüchen wie denen um 1918, 1968 oder dem postkolonialen Revival heute, die einmalige Chance, die „Gesellschaft neu reinzuholen“ ins Museum.

Einzig Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) näherte sich dem Problem, als sie forderte, das Museum müsse die „Einwanderungsgesellschaft“ zur Kenntnis nehmen, die in Deutschland heute längst Realität sei. Ansonsten konnte man bei dem Panel den Eindruck gewinnen, das Museum sichere seine Zukunft, wenn es nur möglichst viele, möglichst natürlich digitale „Angebote für neue Zielgruppen“ macht, wie es Thomas Müller-Bahlke, Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle forderte.  

Das ist natürlich richtig. Schließlich hat das Museum eine gesamtgesellschaftliche Bildungsaufgabe. In Fortschreibung der Tradition ihres berühmten Vorgängers Hilmar Hoffman fand Hartwig dafür die schöne Formulierung von den Museen als „emphatischen Räumen“, die „uns allen“ gehören und – hier war die Dezernentin dann ganz Adornitin – „Erziehung zur Mündigkeit“ betreiben sollten.

Freilich ist das Museum historisch und ideologisch, daran erinnerte dankenswerterweise Ulrike Lorenz, eben auch ein Institut, in dem sich “die bürgerliche Gesellschaft mit sich selbst verständigt“. Und das sieht man den meisten von ihnen auch heute noch an.

Die Sammlungen der meisten ethnologischen Museen sind großenteils koloniales Raubgut. Die Kunstmuseen folgen überwiegend der obsoleten Idee einer linearen Westmoderne. Von ihrem institutionellen Rassismus und Sexismus einmal ganz abgesehen.

Nur damit, den „Methodenkoffer zu erweitern“ (Lorenz) und mit ein paar Workshops für Migrant:innenkinder wie dem fabelhaften „Krokoseum“ in Halle lassen sich diese Strukturprobleme vermutlich nicht reparieren.

„Neue Fragestellungen zuzulassen“, wie es Müller-Bahlcke forderte, ist sicher ein guter Anfang, um das Museum zeitgemäßer zu machen. Aber muss, wer „das „Politische der kuratorischen Praxis“ (Ulrike Lorenz) wirklich zu Ende denkt, dieses Institut letzten Endes nicht radikal umbauen, ja ganz neu gründen?

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