Zum Tod von Ekkehart Krippendorff

„Internationale Politik“, „Friedensforschung“. Wegen Büchern wie diesen – allesamt noch immer Standardwerke – geht Ekkehart Krippendorff bis heute als Politikwissenschaftler durch. Das trifft natürlich zu. Schließlich hatte der 1934 in Eisenach Geborene 1959 bei Theodor Eschenburg promoviert.

Der Mitbegründer der nach dem 2. Weltkrieg neu entstandenen Politikwissenschaft hatte ihn auch 1972 habilitiert, als ihm die FU Berlin dies wegen politischer Unbotmäßigkeit verwehrte.

Wissenschaftsgeschichte schrieb er, als 1965 das Sommersemester an der FU nach ihm benannt wurde. Wegen seiner politischen Aktivitäten für die linke Seite im „Spandauer Volksblatt“ verlängerte die sein Job als Assistent nicht – eine Art Startschuss für die Studentenbewegung weniger Jahre später. Es folgten Stationen in New York, Bologna und Siena.

Viel mehr als „nur“ Politologe war Krippendorff freilich ein Universalgelehrter, linkes Urgestein und unbestechlicher Intellektueller. Unbestechlich auch seinem 1999 verstorbenen Lehrer Eschenburg gegenüber, als 2013/14 dessen Kollaboration mit den Nazis ans Tageslicht kam.

Was Krippendorff jedoch exemplarisch macht, war, dass er sukzessive die systematische (Politik-)Wissenschaft zugunsten der Kultur aufgab, weil diese ihm welterklärender schien. Von dieser Skepsis an seinem eigenen Fach zeugten schon Titel wie „Staat und Krieg. Die historische Logik politischer Unvernunft“ 1985 oder, noch deutlicher: „Wie die Großen mit den Menschen spielen. Goethes Politik“ 1988.

Zu großer Form lief der späte Kulturwissenschaftler mit zwei Bänden auf, in denen er Shakespeares Dramen und Komödien als Blaupausen für Politik und Zivilgesellschaft las. Sein Kollege, der inzwischen auch schon verstorbene Berliner Literaturwissenschaftler Gert Mattenklott, hat diese Suchbewegung hin zum Ästhetischen nie begriffen und immer schwer die Nase gerümpft über die Emphase, mit der Krippendorff sich zum Vertreter seiner sehr persönlichen Cultural“ Studies entwickelte.

Wegen dieser Leidenschaft für die Kultur wurde er nach seiner Emeritierung 1999 Theaterkritiker. Wie oft traf man den agilen Pensionär mit seiner charakteristischen Prinz-Eisenherz-Frisur und in der abgewetzten 68’er-Lederjacke in seinem Lieblingshaus, dem Berliner Ensemble: Hellwach, streitlustig, vor Ideen sprühend. Da berühren sich die Vita des Autors dieser Zeilen, selbst Politologe im Banne der kritischen Variante eines Ekkehart Krippendorff, und dessen – höchst unterschiedlicher – Lebensweg.

Hier der popsozialisierte Westlinke, da der Goethe-Fan. Beide auf der Suche nach der „Kultur des Politischen. Wege aus den Diskursen der Macht“. So hieß eines seiner letzten Werke. Als ich Krippendorff einmal erzählte, dass ich alle meine Klassik-CDs verschenkt hätte, war er hell entsetzt. Vergangenen Dienstag ist der anarchische Klassiker im Alter von 83 Jahren gestorben.

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